Alpenloge

Hügelhimmlisch

Die Alpenloge steht am Rand eines winzigen Dorfes. Vom Balkon aus sieht man über die Weiden bis zu den Bergen des Nachbarlandes
VON MERTEN WORTHMANN

Jeden Morgen eine Luxus-Aufblende

Nachdem ich die Straße von Scheidegg nach Neuhaus ver­lassen habe und eingebogen bin nach Scheffau, brauche ich eigentlich nur noch gemütlich ausrollen zu lassen. Am Gasthof links vorbei, am Lädele rechts, Schlenker um den Dorfbrunnen, dann die Kirche passieren, schon habe ich das alte Schulhaus vor mir. Und bin angekommen.
Schule in Scheffau, das war einmal. Zuletzt 1988, danach alterte das Ge­bäude kinderlos vor sich hin. Bis vor drei Jahren Anja Engelke und Michael Schott kamen und aus dem Schulhaus die Alpenloge machten, ein Minihotel mit neun Zimmern. Mehr passten nicht rein ins Haus, und viel mehr hätten wohl auch nicht nach Scheffau gepasst, in diesen 500-Seelen-Ort in einem Winkel des westlichen Allgäus, wo die nächstgelegenen Bäche im Westen, Süden und Osten, ein paar Hundert Meter nur über die Weiden, schon die Grenze zu Österreich markieren.

Mein Zimmer liegt unterm Dach, ist aber groß wie eine Suite, nur eben mit Schrägen. Gleich drei Türen führen hinaus auf die Loge, äh, den Balkon, und immer wieder muss ich nach drau­ßen treten, um das Panorama noch ein­mal und noch einmal zu.inhalieren. Vor meinen Augen hügeln Deutschland und Österreich harmonisch ineinander über, und die weitere Umgebung wirkt wie eine ausbalancierte Komposition aus auf und absteigenden Weiden, einge­schmiegten Waldstücken und sorgsam dazwischengesetzten Gehöften, in der Ferne zart überwürfelt von den Bergen des Bregenzer Waldes. Alpenloge, na klar, unbedingt ein passender Name, auch wenn keine dramatischen Steilwände vor dem Fenster aufragen. Sogar vom Bett aus sehe ich bis ins Nachbar­land hinüber, das ist morgens meine Luxus-Aufblende.

Das Schulhaus hatte früher keine drei Balkontüren, es hatte nicht mal einen Balkon. So schlicht, wie es damals war, mit der Schindelfassade, den Sprossenfenstern und den farbigen Fensterläden, sieht es nach wie vor zum Dorf hin aus. Zum Land hin aber haben die neuen Besitzer es auf breites­ter Front geöffnet. Terrasse, Balkone, eine Fensterfront im Essenssaal und im Tiefgeschoss noch ein paar Panorama­scheiben, die einen vom kleinen Spa aus direkt in den Garten schauen lassen – Logenpläze, wo immer es geht.
Wenn im Herbst die Kühe von der Alm zurück ins Dorf kommen, machen sie für ein paar Wochen Zwischensta­tion auf der Weide direkt vor dem Hotel; da bietet einem die Loge dann, ergänzend zur erhabenen Kulisse, noch etwas tierisches Spektakel obendrauf.

Dabei ist die Alpenloge, von innen betrachtet, alles andere als dörflich oder volkstümlich. Ausstattung und Atmosphäre sind eher weltläufig-luftig, vom Schwung der samtigen Sessel über die feingliedrigen Metalllampen im Salon bis zu opulenten Wandmalereien von verschiedenen Blüten und Palmenblät­tern. Ausgestellt wird der Luxus nicht, spürbar ist er schon. Und Anja Engelke und Michael Schott sind auch durchaus stolz auf ihren Keine-Kosten-und Mühen-gescheut-Umbau. Obwohl die Kosten und Mühen doch noch ein wenig in ihnen nachzittern. »Wir hat­ten die rosarote Brille auf«, sagt Michael mit einem leichten Seufzen, und Anja setzt nach: »Die musst du aber auch aufhaben, wenn du dich richtig rein­stürzt. Sonst überlegst du’s dir zwei­mal.« Ich nenne die beiden übrigens auch deshalb beim Vornamen, weil sie ihre Gäste selbst sehr entschieden du­zen. Trotz des eigenen Mitte-Ende­fünfzig-Horizonts und obwohl sie aus­gerechnet aus dem kühlen Hamburg hierhergezogen sind.

In Hamburg hat Michael lange als Werbefotograf gearbeitet, Anja im bür­gerschaftlichen Engagement. Sie haben also gleich doppelt neu angefangen: als Gastgeber und als Dörfler. Können aber mittlerweile schon lokalpatriotisch vorn erstaunlichen Vereinsleben des Miniorts sprechen. Die Blasmusiker – Bezirksmeister!

Scheffauer Vereinsmosaik ist der Dorf­gemeinschafts-Verein, weil er mithilfe einiger Freiwilliger den Betrieb eines kleinen Dorfladens im ehemaligen Gasthaus zum Löwen aufrechterhält. Das Dorflädele«, in dem neben Brötchen, Wurst und Käse regelmäßig auch Klatsch und Tratsch gehandelt werden, hat wochentags genau zwei Stunden ge­öffnet, morgens von halb acht bis halbzehn. Ein Schild an der Tür hält fest:» Nur eintreten mit guter Laune«.

Sternehotels Deutschlands.

Drei, vier, fünf Sterne ? Damit glänzen viele Hotels. Unsere aber haben gleich unzählige zu bieten. Hier können Nachtschwärmer nur richtigliegen.

„Und wenn sich die Nacht über die Alp senkt, erhellt Sternenlicht die in Dunkelheit versinkende Bergwelt.“

Text: Laura Patz & Iona Schlussmeier

DON’T JUDGE A BOOK BY ITS COVER«, sagt der Brite und meint damit wahrscheinlich dieses urig anmutende Hotel im WESTALLGÄU, direkt im Vierländereck aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein. Außen: rote Dachschindeln und tannengrüne Fensterläden, die sich zur Alpenwiese öffnen. Innen das Gegenteil:

puristisches Design mit klaren Formen, hellem Holzboden und dezentem Farbenspiel aus Braun und Beige. Optisch wärmen knisternde Kaminfeuer und flauschige Lammfelle. Eine direkte Verbindung zur Natur sollen die neun Logen und Doppelzimmer des Hauses sein. Große, im Massage- und Spa-Bereich bodentiefe Fenster bitten das grüne Allgäu hinein. Die Zimmer zeigen in jede Himmels­richtung und heißen treffend »Süd-West« und »Nord-Ost«. Auch die Terrassen, darunter ein Speise-Deck, sind nicht nur dank reich bestückter Frühstücksetageren aussichtsreich. Und wenn sich die Nacht über die Alm senkt, erhellt Sternenlicht die in Dunkelheit versinkende Bergwelt.

WOHLFÜHLERLEBNIS

von MARTIN REICHLIN

Grün, wohin man blickt – sanfte Hügel, satte Wiesen, ein weites Tal, kühle Wälder. Am Horizont leuchten die Alpen, drüben in der Schweiz und in Österreich. Und mitten drin Scheffau, ein Dorf im Allgäu (D) mit 500 Einwohnern, knapp hinter der Grenze zu den beiden Nachbarländern und nur einen Katzensprung von Bregenz und dem Bodensee entfernt.

Wer sich dem Dorf nähert, etwa auf einem der vielen schönen Spaziergänge oder Wanderungen, die man in der Gegend machen kann, stösst an seinem Rand auf das BOUTIQUE-HOTEL ALPENLOGE. Erst in diesem Frühling eröffnet, steht es an der Stelle des alten Schulhauses. Zwar musste das altersschwache Gemäuer aus den 30er-Jahren von den beiden Gastgebern der Alpenloge,

Anja Engelke und Michael Schott, zum grossen Teil abgetragen werden. Doch das neue Haus wurde mit viel Respekt für den Vorgänger aufgebaut – mit Holzschindeln und Sprossenholzfenster aussen, innen mit Messingarmaturen, wunderbaren Tapeten, warmen Holzböden und schönen, aussergewöhnlichen Wandfarben.
Jedes der neun grosszügigen Zimmer – Logen, aus denen man wie in einem edlen Theater auf die Landschaft blickt – ist individuell geschnitten und eingerichtet. Kein Raum gleicht dem andern, die Möbel und Betten sind bequem und die Textilien hochwertig. Auch der Wohn- und Essbereich, eine warme, ruhige Stube mit hohem, schlankem Kachelofen, wurde von Anja und Michael stilsicher möbliert und beleuchtet. Hier können sich die Gäste mit ihren Gastgebern treffen und unterhalten oder auch nur herrlich entspannt den Klängen des historischen Radios lauschen.

Frühstück und Abendessen, vom jungen Koch fein komponiert aus regionalen Spezialitäten wie dem Käse von nahen Sennereien, den Kräutern aus dem Garten oder den Fischen aus einer nahen Zucht, nimmt man jedoch am besten im Wintergarten ein oder, wenn es die Temperaturen zulassen, auf der Terrasse. Wohl an kaum einem Esstisch fühlt man sich so mitten in der Landschaft und doch so gut aufgehoben, wie an der Tafel der Alpenloge. Vervollständigt wird das Wohlfühlerlebnis durch den Besuch des kleinen Spabereichs mit Ausgang zum Garten. Dort locken Sauna, Dampfbad, Massageraum und Ruheliegen vor dem Kamin.

Entspannung, du kannst kommen.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.08.2020, Nr. 33, S. 46

Scheffaus altes Schulhaus ist heute ein heimeliges Boutique-Hotel

Von KATHARINA MATZIG

Dass ihr Name einmal Synonym einer globalen Krise sein würde, hat Korona S. gottlob nicht mehr erlebt:
Sie ruht seit Jahren auf dem Friedhof von Scheffau im Westallgäu. „Tempus fugit“ läuten die Glocken von St. Martin viertelstündlich ab sechs in der Früh, die Zeit vergeht: In der Alten Schmiede von 1878 am Ortseingang wird heute gewohnt, in das denkmalgeschützte Fernsemmerhus aus dem 18. Jahrhundert ist der Dorfladen eingezogen. Und im Gasthof Zum Postwirt, gegenüber dem prachtvollen Maibaum vor dem Gebäude der freiwilligen Feuerwehr, wird außer selbstgebrautem Bier und hausgemachtem Eis am Stiel in der Geschmacksrichtung Gurke-Zitrone freitags Allgäuer Biopizza aus dem Holzofen angeboten.

Die Schule des idyllischen 500-Seelen-Ortes markiert das Ende der Siedlung, eingebettet in die sanft modellierte Wiesenlandschaft mit freiem Blick auf die österreichischen und Schweizer Alpen. Seit letztem Jahr ist sie ein charmantes Boutique-Hotel namens Alpenloge.

Erbaut wurde das Schulhaus in den dreißiger Jahren, Korona S. hat es vielleicht besucht. Seit 1972, als Scheffau mit Scheidegg zusammengelegt wurde, findet jedoch kein Unterricht mehr statt, das schmucke Gebäude mit seiner hellgrauen, traditionellen Holzschindelfassade gammelte vor sich hin. Den gebürtigen Lindauer Michael Schott und die aus Kiel stammende Anja Engelke faszinierte der Ort trotzdem, dabei sind beide weder Architekten noch Lehrer.

Auch das Hotelfach haben sie nicht gelernt. Doch das Paar ist viel gereist von Hamburg aus, wo sie lebten. Und sie sind gerne Gastgeber. Und nein, Visionen sind keine Krankheit, sondern Motivation. Daher steht die Alpenloge ebenso stattlich und dabei energetisch vorbildlich wieder am Kirchenanger und ermöglicht Zugereisten unabhängig von den bayerischen Schulferien großartigen Urlaub.

Historische Wandtafeln, aus der Lehrmittelanstalt A. Pichlers Witwe & Sohn oder dem Verlag „Der praktische Schulmann“, erinnern an die Geschichte, in einigen Räumen kam Altholz zum Einsatz, der berühmte „Moser-Stuhl“ von 1931 passt perfekt in den Speisesaal, der gleichzeitig Rezeption, Bar, Stube und Wohnzimmer ist. Non scholae, sed vitae discimus, der alte Spruch stimmt eben doch: Michael beispielsweise – die kleine, feine, familiäre Gemeinschaft auf Zeit in der Alpenloge duzt sich – musste lernen, dass die benachbarten Schnucken nur im Herbst geschlachtet werden, da sie vorher zu klein wären und im Winter erfrieren würden.

Auf der täglich wechselnden Abendspeisekarte steht daher im Frühling und Sommer andere regionale Kost. Anja hingegen wusste nicht, dass die Bakelitschalter, die verbaut wurden, weil sie dem Baujahr der Schule entsprechen, dreimal so teuer sind wie zeitgemäßes Design. Und die Gäste? Für sie bekommt der aktuelle pädagogische Begriff der „Lernlandschaft“ eine neue Bedeutung und endlich einen Sinn.

SCHAFFAU ALPENLOGE

Die Unternehmensberaterin Anja Engelke und der Fotograf Michael Schott führen im grünen Hügelland des südlichen Allgäus ein stilvolles Hotel mit neun Zimmern und Suiten. In der Dorfschule aus den 1930er-Jahren wählten die Besitzer jedes Designdetail mit Bedacht aus – vom edlen Eichenparkett über die grünen Samtsessel der Bielefelder Werkstätten und die Messingarmaturen aus Italien bis zu den historischen Berker Lichtschaltern. In der intimen Atmosphäre fühlt man sich wie in einem Privathaus. Kleiner Spa mit Panorama-Sauna und Sole-Dampfbad.
Beim Abendessen schaut man von der verglasten Veranda in den Bregenzerwald und genießt Leibgerichte wie Wiener Schnitzel mit warmem Kartoffelsalat und Moosbeeren-Chutney oder Saiblingsfilet mit Risotto, Pilzen und Wermutsauce. Das Frühstück wird am Tisch serviert.

Ausgabe 13.07.2020

Hotels und Ferienhäuserin den Bergen

Gemütlich, authentisch – und ganz ohne Heidi-Kitsch. Wir haben Hotels und Ferienhäuser gefunden, die dem alpinen Stil eine zeitgemäße Form geben.

Sie sind stets gern gereist, aber „selbst Gastgeber sein, davon haben wir lange geträumt·: sagen Anja Engelke und Michael Schott.